2020 – besser als sein Ruf

Es klingt vielleicht makaber in einem Jahr, in dem viele Menschen an einer hinterlistigen Krankheit starben oder schwer erkrankten, in denen Firmen pleite gingen und Menschen arbeitslos wurden, aber für mich brachte dieses Jahr mehr Gutes als Schlechtes.

Ja, ich hab mich arrangiert mit meiner neuen Wohnung, auch wenn das Wohnzimmer noch immer nicht gestrichen wurde. Aber man muss ja noch Ziele haben für 2021 🙂
Und auch mit dem neuen Job klappt es sehr viel besser, nach den ersten schwierigen Wochen ist der Knoten geplatzt und ich kann auch gut nachvollziehen wie schwer es sein muss, plötzlich von einem fremden Menschen durch den Alltag begleitet zu werden, in den eigenen 4-Wänden, in denen auch wir nicht jedermensch dulden würden.
Aber jetzt sind wir nicht mehr Fremde, wir kennen einander, wissen vom anderen was wir zu erwarten haben, wie der andere „tickt“.

Die größte Freude ist mir dieses Jahr aber tatsächlich mein Studium geworden.
Klar, auch hier gibt es solche und solche Dozenten, ebenso wie manche Themen trockener (langweiliger) sind als andere, aber es gibt auch viele Denkanstöße.
Im zweiten Semester geht es viel um Sozialpolitik und Ethik und damit verbunden die Frage nach Gerechtigkeit.
Ich bin zum Glück ein Mensch, der sehr vertraut ist mit seinen eigenen Widersprüchen (Ambiguitätstoleranz), daher komme ich eigentlich ganz gut damit klar, dass es in Ethik kein klares „Falsch“ oder „Richtig“ gibt, dafür viele Aspekte, die man reflektieren, hinterfragen und diskutieren muss.

Immer wieder höre ich auch, die Diskussionskultur in Deutschland sei verloren gegangen.
Ich kann mich ehrlicherweise nicht an einen Zeitpunkt erinnern, an dem es diese positive Diskussionskultur noch gab, ich glaube aber, dass es viel mit dem Internet zu tun hat und wie leicht sich destruktives Verhalten Gehör verschaffen kann.
Ich denke, im persönlichen Gespräch finden sich doch deutlich mehr positive Diskussionen wider, allerdings frage ich mich manchmal schon, warum man gerade bekannte Krawallmacher und Polemiker in Talkshows einlädt, anstatt Experten und Wissenschaftler, die mehr Wissen als Meinung vertreten.

Für mein Studium habe ich mir einen Ratgeber zum Lernen besorgt, den ich nur bestens empfehlen kann.
In den Einführungskapiteln geht es auch um Wissenschaft an sich und darum, dass Wissenschaft sich immer weiter ausdifferenziert, es also immer mehr Spezialgebiete gibt, die sich immer schwerer auch von anderen Wissenschaftlern von benachbarten Disziplinen überprüfen und nachvollziehen lassen können. Diese Tatsache ist eben auch Nährboden für Wissenschaftsskeptizismus. Den gab es nämlich auch schon vor Corona.
Auf der anderen Seite gibt die Wissenschaft aber auch ganz offen zu, dass sie nicht „die Wahrheit“ verkündet. Vielmehr geht es um den Wissensstand zu einem bestimmten Zeitpunkt, der logisch nachvollziehbar sein muss (durch Forschung, Studienergebnisse, …). Diese Ergebnisse sind aber zum Teil auch Interpretationssache, weshalb wissenschaftliche Erkenntnisse darauf angewiesen sind, dass man innerhalb der Wissenschaft diese Ergebnisse diskutiert.
Da wissenschaftliche Erkenntnisse ständig neu überprüft werden müssen und auch ständig neue Erkenntnisse dazu kommen, müssen wir auch damit leben, dass wissenschaftliche Erkenntnisse sich ändern.

Und da Menschen davon getrieben sind, sich an „Wahrheiten“ festzuhalten – weil sie ihnen Halt geben, genauso wie Religion – treibt es sie auch zu Gruppierungen wie denen der Querdenker hin.

Persönlich kenne ich keine Querdenker, dafür aber einige, die sich nicht impfen lassen wollen aus Sorge über mögliche Spätfolgen.

Das ist ein Argument, das meines Erachtens ernst genommen werden muss, denn über Spätfolgen lassen sich eben keine Aussagen machen. Da die Herstellung dieses Impfstoffes jedoch alle Prozesse durchlaufen hat, die ein normaler Impfstoff auch durchlaufen würde und da Politik wie Wissenschaft immer wieder betonen wie wichtig ihnen bei diesem Prozess des Aspekt der Sicherheit war, halte ich persönlich das Risiko für kalkulierbar.

Ich habe jetzt schon Stimmen gehört, die eine Abkehr der momentanen Corona-Maßnahmen fordern, von dem Moment an, an dem genügend Impfstoff für alle vorhanden sein wird.
Und ich halte dieser Forderung grundsätzlich für richtig, obwohl ich glaube, dass noch einige Impfskeptiker ihr Leben für ihre Einstellung lassen werden müssen.
Was mich aber zur Zeit nervös macht, ist die Tatsache, das Kinder nicht geimpft werden, da es zu ihnen noch keine Studien gibt und mein Großer daher darauf angewiesen sein wird, dass sich seine Umgebung impft.
Aber so geht es wohl allen Kindern mit Vorerkrankungen…

Aber ich will dieses Jahr nicht mit Ängsten verlassen.
Ich freue mich über meine Arbeit und über meine Wohnung, über mein Studium, das mir so viel Input gibt und ich freue mich darauf, Weihnachten zusammen im kleinen Kreis mit meiner Familie zu verbringen.

Ich wünsche allen einen frohes Fest, egal wie oder wo, viel Gesundheit und viel Mut und Kraft fürs nächste Jahr, damit ihr all das umsetzen und erreichen könnt, was ihr euch so vorgenommen habt!

Berlin

Heiß, viel zu heiß war’s in Berlin.
Ich hab’s nicht an die große Glocke gehängt, ist ja auch nicht ganz unkritisch in Zeiten von Corona und wo viele Menschen sind, ist das Risiko unkalkulierbar, noch wo die Zahlen wieder steigen. Also lieber mal nichts in den Status gestellt, man kann auch so die Bilder teilen, im Geheimen, vielleicht eh viel besser nicht jedem immer alles auf die Nase zu binden, wobei, den Geburtstag hab ich dann doch allen auf die Nase gebunden, hat auch nicht weh getan.
Zumindest das Auf-die-Nase-binden, mit der neuen Jahreszahl muss ich mich erst noch abfinden, anfreunden, wobei ich mittlerweile ziemlich gut darin geworden bin, mein Alter so schnell zu vergessen wie ein fortgeschritten Dementer.

3 Tage Berlin, ich wollte mal raus, nein: musste, nur ich und der Kleine, man muss seinem Kind doch mal die Welt zeigen, Großstadt, unzählige Möglichkeiten, der Begriff von Größe und Weite in einer Stadt, in der uns niemand kennt und die uns das sein lässt, was wir wollen, ein leeres Blatt in einem billigen HP-Deskjet-Tintenstrahl-Drucker (denn für das romantisierte Bild einer in die Tage gekommenen Schreibmaschine fehlt mir nun wirklich die Fantasie).
Vollgestopfte Tage mit Museen, Mauerteilen und Geschichte, ergänzt von Restaurantbesuchen, tropfendem Eis und verschwitzten Nächten im Hotel.
Erlebnistourismus, weil nichtstun, entspannen, kann ich schon seit Jahren nicht mehr. Ich muss leben, erleben, staunen, Eindrücke sammeln, als hinge mein Leben davon ab.

Berlin – und jetzt bist du nicht mehr da und ich zurück in der Wohnung, die mir immer noch fremd vorkommt, wie ein entfernter Verwandter von dem man nicht weiß, was man von ihm halten soll.
Natürlich, es sind die Wände, weiße Wände, anklagend, vorwurfsvoll. Ich muss erst schwitzen und fluchen und meinen Schweiß mit der Farbe mischen, die ich in harter Arbeit mit zwei Anstrichen an die Wände bringen werde, nur um festzustellen, dass es nicht so aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe, aber mit dieser Art der Enttäuschung kann ich umgehen, ich nenne es einen Kompromiss.

Und morgen, morgen wieder der neue Job, der Tanz am Rande des Vulkans, wo es um Launenhaftigkeit und Aggressionen geht, eine Arbeit, die mir emotional alles abverlangt und ich vom Antagonisten keinen Dank erwarten kann, denn das kann er nicht leisten. Was ich mir da nur eingebrockt habe, weil ich dachte, ich könnte die Welt retten, mit einem sozialen Job, wenn ich mich engagiere. Aber ist mir der Schuh nicht ’ne Nummer zu groß?
Ich kämpfe und beiße, weil mir das so geraten wurde, aber nicht für ewig – klar ist, ich bin schon immer gegangen, wenn es nicht mehr ging, Selbstwirksamkeit nennt man das und ich wusste schon immer besser was ich nicht will, als das Gegenteil davon.

Tja, wenn das Geld nicht wäre, das Geld, das Geld hinter dem wir immer her rennen, das uns antreibt, oft als einzige Motivation Tag für Tag arbeiten zu gehen und sich den ganzen Mist anzutun, was könnte man nicht alles entdecken in der Welt, wenn der Druck des Geldverdienens nicht wäre und uns zu Marionetten erstarren ließe?
Und ich, ich hab mich bereitwillig einspinnen lassen in das Netz, mit einer neuen Wohnung mit Balkon, größer, mit Fußbodenheizung sogar, obwohl die alte so schön schief und krumm war und man sich an den Balken den Kopf stoßen konnte, so tief hing die Decke an manchen Stellen.
Das war Charakter und jetzt, diese charakterlose große Wohnung, die mir das Geld aus der Tasche zieht, aber hey, es war meine Entscheidung und ich kann jeden Tag entscheiden, immer aufs Neue und wer weiß, was das Morgen bringt.
Und der Job, der soll mir auch was zeigen, was ich kann, was ich nicht kann, weil man aus allem etwas lernt.

Aber heute Abend nochmal der Sekt in dem das Blattgold schwimmt, denn der Morgen kommt schon früh genug.

Dispatches from Elsewhere

 

Wenn die allererste Einstellung in der allerersten Szene mit dem Schweigen des Erzählers beginnt, ein schier endloses Schweigen, obwohl es nur Sekunden sind, und er uns währenddessen unverwandt beobachtet, mit einem Blick, der uns verrät das das, was er uns mitteilen will, von unbedingter Relevanz ist und er sein Schweigen dann endlich mit den Worten „Nun, da ich Ihre Aufmerksamkeit habe…“ bricht dann ist es mehr als pure Aufmerksamkeit, es ist ein Sog der Neugier, der uns direkt in die ungewöhnliche Geschichte dieser Serie zieht.

Unser Erzähler bricht bereits in der ersten Szene die vierte Wand, also die, die sich zwischen der Geschichte und dem Publikum auftut und zeigt uns so, dass wir mehr sein sollen, als stille, passive Betrachter. Denn es geht um uns.

„Du bist wie Peter, wenn…“

Jede der vier Hauptcharaktere wird auf diese Art eingeführt, der Erzähler zwingt uns geradezu, uns mit uns selbst auseinander zu setzen, zu reflektieren, wer wir eigentlich sind.
Einer der großen Kerne der Geschichte steckt in dem Versuch der Selbstfindung, eine der großen Botschaften:
Du bist besonders. Aber nicht, weil du einzigartig bist. Jeder Mensch ist einzigartig. Jeder Mensch ist perfekt.

Die Rahmenhandlung findet ihren Ursprung in der Dokumentation „The Institute“ von 2013, basierend auf ein Spiel, das der Künstler Jeff Hull 2008-2011 in San Francisco initiierte und das über 10.000 Menschen in seinen Bann zog.

„Dispatches from Elsewhere“ handelt von vier fiktionalen Charakteren, die sich auf dieses Spiel einlassen, die den Spuren, den Rätseln folgen, den Brotkrumen, die dieses Spiel für sie hinterlässt.
Sie alle verbindet die Einsamkeit, sie alle lernen einander zu vertrauen, über sich hinaus zu wachsen, wie sie ihren eigenen Bedürfnissen näher kommen und was es heißt, für sie einzustehen. Das Spiel belebt den Einzelnen, es dient als Quelle der Inspiration, es ist Katalysator und Motor, der die Dinge ins Rollen bringt. Es geht um Kreativität und Schönheit, um Spannung und Mut.

Doch gegen Ende der Serie gibt es einen Bruch und es wird unglaublich persönlich.

Jason Segel lieferte nicht nur die Idee zur Serie, spielt eine der Hauptrollen und führte Regie – er nutzt die Serie auch zur Aufarbeitung seiner eigenen Vergangenheit, seinen Alkoholproblemen und was es heißt, auf die Rolle eines Comedy-Darstellers („How I Met Your Mother“) festgelegt zu sein. Und so bekommt auch die „Muppet-Show“, die im Hintergrund läuft, noch einen anderen Anstrich, hat doch Jason Segel nicht nur 2011 das Drehbuch zu dem Film geschrieben, sondern auch eine der Hauptrollen eingenommen.

Überhaupt finden sich überall Anspielungen auf andere Filme und Serien, wie zum Beispiel „Mr. Robot“ oder „Forrest Gump“. Es lohnt sich also genau hinzusehen; es ist geradezu eine Freude, die Easter-Eggs zu entdecken, wie ein geheimes Augenzwinkern unter Freunden.

„Dispatches from Elsewhere“ ist auf so vielen Ebenen sehenswert und inspirierend und berührend und wenn es eine Serie geschafft hat, in einem künstlerischen Verständnis als Werk über den Erschaffer hinauszuwachsen, dann diese.

KEINE PANIK!!! oder: Corona im März

 

„Wir gehen auf jeden Fall nicht ins Krankenhaus.“ Ihre Stimme klingt so bestimmt wie besorgt. „Wir haben ja die Heimbeatmung, wir sind zu zweit und können uns von den Ärzten auch telefonisch beraten lassen. Die Beatmungsparameter kann man anpassen und Paracetamol haben wir auch.“

Ob ich ins Krankenhaus gehen würde, weiß ich noch nicht, aber ich kann ihre Angst verstehen.

„Bis gestern war ich noch ganz ruhig, eigentlich. Bis ich gestern Dr. Möller angerufen habe. Er hält auch hier italienische Verhältnisse für möglich.“

Ich bin froh, dass ich darüber nur Berichte gelesen habe, doch auch die erzeugen Bilder in meinem Kopf. Bilder von Ärzten, die nicht wissen, wen sie noch behandeln sollen und wen in den Tod schicken. Würde mein schwerbehinderter Sohn sich durchsetzen können gegen einen Menschen, der nach durchgestandener Erkrankung ein eigenständiges Leben würde führen können?

Noch etwas anderes treibt mich um.

„Wie macht ihr das eigentlich mit Mundschutz? Ich meine, normalerweise benutzen wir keinen. Brauchen wir jetzt einen?“

Da ihr Sohn rund um die Uhr beatmet wird, gehört für sie ein Mundschutz ganz selbstverständlich dazu. In der Grippesaison sowieso. Bei uns liegt der Fall anders, mein Sohn geht mit der Sättigung im Schlaf runter, aber auch wieder rauf. Trotzdem nimmt er jeden Atemwegsinfekt mit, den er kriegen kann. Und die Lungenentzündung vorletzten Herbst mit 500 ml Flüssigkeit als Bonuseinlage…

„Würde ich dir eigentlich schon empfehlen, ja. Aber darum müsste sich ja eigentlich der Pflegedienst kümmern.“

„Der Pflegedienst bin ich“, erwidere ich. „Persönliches Budget. Eigentlich muss ich die Vorgaben machen und unseren Leuten erklären, was zu tun ist.

Gestern auch, da ruft mich eine unserer Pflegekräfte an und sagt, sie hat Schnupfen. Ist vielleicht nur Heuschnupfen. Aber wer weiß das gerade schon?

Ich kann sowas nicht entscheiden. Ihr Arzt hat sie jetzt krank geschrieben. Aber wenn man Ende alle vier Schnupfen haben…

Da steh ich jetzt und versuche 10 Mal am Tag die scheiß Patientenberatung zu erreichen und der Kinderarzt ist schon seit einer Woche im Urlaub und kommt auch erst übernächste Woche wieder. Ich hätte ja gedacht, dass die abbrechen, aber … nee.“

„Ich würde dir ja Masken von uns abgeben, aber wir haben selbst nicht genug. Ich hatte die Idee ein paar Nägel in die Wand zu hauen, dann kann jeder seine Maske aufhängen und zum nächsten Dienst wieder aufsetzen.

Was soll ich sonst machen?!“

Ist das eine Scheiße, denke ich und sage stattdessen: „Gute Idee.“

Cytotec

 

Mein Exmann schickt mir den Link.
„Du weißt wahrscheinlich nicht mehr, was du damals bekommen hast?!“

In dem Bericht geht es um ein Magenschutzmittel, dass bei Geburtseinleitungen verwendet wird, da es als Nebenwirkung Wehen auslöst.
Ich erinnere mich nicht an den Namen. Aber ich erinnere mich, für einen Off-Label-Use wie diesen unterschrieben zu haben. Ein Medikament, dass eigentlich einem anderen Zweck diente, aber man habe in der Geburtshilfe gute Erfahrungen machen können.
Ich erinnere mich auch an den Wehensturm, den die Frauen nach Cytotec beschreiben.
Wehen, die kein Ende finden. Ohne Pause, eine Wehe nach der nächsten. An die Schmerzen, die nicht enden wollten und das über Stunden. An meinen Wunsch eine PDA zu bekommen, doch man sagte mir, es wäre schon zu spät, es sei doch fast geschafft.

Cytotec steht jetzt in der Kritik, weil es zu schweren Komplikationen führen kann. Sauerstoffunterversorgung, Herzstillstand, Gebärmutterruptur – bis hin zum Tode von Mutter und Kind.

Da es offiziell nur als Magenschutzmittel verwendet wird, wurden keine Daten und Nachforschungen über Nebenwirkungen gesammelt, die mit Geburtseinleitungen in Verbindung stehen. Es gibt keine Forschung, keine Studien.
Seit 2006 ist Cytotec nicht mehr für den Deutschen Markt erhältlich, was Mediziner jedoch nicht davon abhält, es aus dem Ausland zu importieren.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis.
Kann es sein, dass der Große nur aus einem Grund schwerbehindert ist?
Dass wir seit 9 Jahren nichts finden, weil die Ursache in den Umständen seiner Geburt liegt?
Ich versuche diesen Gedanken nicht zu Ende zu denken, weil nichts bleibt, als ein Schwindel in meinem Kopf und eine aufsteigende Übelkeit.

Jetzt brauche ich meine Patientenakte. Bevor die Aufbewahrungsfrist endet.

Weihnachtsansprache

 

So Leute. Es ist Weihnachten und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Realistisch betrachtet, wird das vermutlich der letzte Beitrag 2019.

Die letzten Wochen waren steinig. Mittlerweile habe ich alles auf die Kette gekriegt, aber zum Teil war das ein echter Kampf.
Ich habe viel Zeit mit Bürokratie verbracht, aber auch mit meinem neuen Job (in der Schulkindbetreuung) und meinem alten Job (der mir plötzlich mehr Stunden bot als gedacht, ausnahmsweise mahlten die Mühlen der Bürokratie hier etwas schneller) und dann noch der ganze Stress mit den Weihnachtsgeschenken und den Kindern (dauernd ist einer krank) und irgendwann, nachdem ich den Samstag genutzt hatte meine Wohnung endlich auf Vordermann zu bringen, saß ich plötzlich auf meinem Sofa und konnte nur noch heulen.

 
Tja.

 
Und jetzt plagt mich das schlechte Gewissen, weil mir der neue Job zu viel wird.
Anfangs dachte ich noch, ich kann mich da rein arbeiten und nach ein paar Wochen würde es einfacher werden, ich müsste mich nur durchbeißen. Aber es wird nicht einfacher.
Anfangs dachte ich noch, ich könnte wenigstens bis zu den Sommerferien durchhalten, der Mutter zuliebe, die dringend ein wenig Normalität und Routine in ihrem Leben bräuchte, jemand, der hilfreich ist. Aber dann denke ich, dass ich im April anfangen will zu studieren und vorher noch umziehen möchte und ich eigentlich jetzt schon mit Bauchschmerzen zur Arbeit gehe und dass das eigentlich kein Zustand sein kann.
Aber ich bin noch unentschieden. Ich glaube, ich versuche es bis zu den Osterferien und vielleicht beiße ich mich doch bis zu den Sommerferien durch oder vielleicht hätte meine Kollegin auch nichts dagegen, meine Stunden noch mit zu übernehmen.
Wir werden sehen.

 
Um an etwas Schönes zu denken: Da war die Weihnachtsfeier von meinem „alten“ Job, fünf von uns Betreuern/Helfern und sie und ihre Mutter und es war so heimisch, meine kleine Ersatzfamilie. Und wir haben gegessen und getrunken und geredet und ich fühlte mich so wohl und angekommen und angenommen an diesem Tisch, an dem ich jeden Menschen mochte wie er war, so wie die Runde mir das Gefühl gab, mich so zu nehmen, wie ich eben war.
Ich kenne das gar nicht, das man in einer Familie über alles reden kann.
(Mich mit meinen Kids mal ausgenommen, schließlich will man es ja besser machen 😉 )
Inspiration, das war es. Da Gefühl, dass ich mit diesem Abend und mit den Menschen verbinde. Die Themen über die wir sprachen, Denkanstöße. Inspiration und Liebe.
Und wie nach einem erfolgreichen Date, schrieb meine Kollegin, kaum war ich zuhause angekommen, in die Whatsapp-Gruppe und bekundete, wie gut ihr der Abend gefallen habe. Und jeder von uns fühlte und schrieb das Gleiche.

 
Noch mehr Rückblick:
Da war dieser Urlaub im Frühjahr, für den ich sehr dankbar bin. Zum ersten Mal für mehrere Tage mit dem alten Mann und dem Kleinen. Ich war aufgeregt, wie das funktionieren würde. Nicht zuletzt, weil meine Gefühle manchmal seltsame Kapriolen schlagen und mein Gehirn da wenig Einfluss hat. Dann denke ich manchmal, mich zerteilen zu müssen zwischen meiner gesellschaftlichen Rolle als Mutter und der als Freundin/Frau. Ich glaube, dass ist nicht nur Einbildung, dass hat schon einen Grund, warum ich diesen Zwiespalt so empfinde. Aber ich weiß auch, wie flexibel der alte Mann mit diesen Gefühlen umgehen kann.
Ein anderes Gefühl, was mich manchmal überkommt, ist die Sehnsucht nach Freiheit, wenn ich viel Zeit mit einem Menschen auf engsten Raum verbringe. Eine Art Klaustrophobie.
Auch das hatte ich zum Glück nicht während dieser Zeit. Aber: Ich wurde leider krank. Wie so häufig dieses Jahr.
Leider ist mein Immunsystem kaum besser als das meiner Kinder.
Seit ich im Herbst dazu über gegangen bin mir allerlei Vitamine reinzupfeiffen (und mich gesünder ernähre), bleibt es bei gelegentlichem Kränkeln und Halskratzen. Macht zwar auch dumpf, aber es artet nicht ganz so schlimm aus.
Unterm Strich war es ein sehr schöner Urlaub unter bescheidenen Umständen. Er hat eine Wiederholung verdient, dieses Mal im Sommer und in einem anderen Land.
Ich freue mich und verspreche, nicht krank zu werden. ^^

 
Ein relativ neuer Freund dagegen brachte mir dieses Jahr das Basteln mit Küchenrollen näher. Da haben wir sehr interessante Sachen draus gemacht und ja, es roch am Ende ziemlich gut in der Küche und es war nebelig. Ein Duftnebel, den ich auf meinem Alligatoah Open-Air Konzert dann auch nochmal erleben durfte (faszinierend, egal wo ich stand, die gleiche Konzentration an Nebelschwaden, die mich umschwebte).
Ich mag meinen neuen Freund. Er hört mir zu, wenn ich ins Telefon heule und am Ende geht es mir besser. Auch ganz ohne Nebelwolke.
Ja, manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, dass wir uns so selten sehen. Aber ich denke, er versteht das.

 
Dann gibt es noch einen alten Freund.
Ich freue mich immer, wenn wir ein Treffen hinkriegen. Ich mag auch ihn. Er ist verrückt, witzig, klug und gutherzig.
Falls seine Frau ihn eines Tages rauswirft, darf er auf der Couch nächtigen (solange er das Wort „einziehen“ nicht benutzt :-P)

Der Mann mit dem Raum ist auch noch da. Der Raum hat sich ausgedehnt. Oft finden wir nicht mehr zueinander. Aber die Häufigkeit ist kein Maßstab. Genießt man die Dinge nicht umso mehr, je seltener sie werden?

Genießt ihr meine seltenen Beiträge nicht auch viel mehr, als wenn ich täglich schreiben würde?
😀
Achja, ich bin jetzt übrigens Partei-Mitglied. Das auch noch.
Diese Partei ist sehr gut, eine Partei von Narren und Spinnern und irgendwie bin ich jetzt ein Teil davon.
Ausblick:
2020. Wir alle wissen: Das ist DAS Jahr. Wenn nicht 2020, dann gar nicht. 2020 ist alles möglich. 2020 fangen 35 jährige Mütter mit behinderten Kindern, die in windigen Verhältnissen leben, an zu studieren. Das geht echt nur 2020.

Ich habe mich jetzt übrigens für Soziale Arbeit, Schwerpunkt Medienpädagogik entschieden. Ja, ob Pädagogik und ich Freunde werden, weiß ich auch noch nicht so genau. Ich versuch mal mein Glück. Aber Medien finde ich spannend und Sozialarbeiter werden wie blöd gesucht… Irgendwie fühlt sich das richtig an.

Für den Kleinen steht 2020 eine Zahnspange an – Kreuzbiss. Er freut sich, weil eine Zahnspange Zeichen für den Beginn der Pubertät ist und ihm das Älterwerden schon lange genug dauert.
Schauen wir mal, wie lange die gute Laune anhält.

Nun fehlt mir zu meinem Glück nur noch eine neue Wohnung und ein paar kräftige Hände und ein paar Tausend Euro, weil ich ansonsten aus zwei leeren Pappkartons eine Küche improvisieren muss. Aber das kriegen wir schon hin.

Genug lamentiert, bleibt optimistisch und neugierig und lasst euch nicht ärgern.

Konsumiert nicht so viel, bleibt gesund, vermeidet Plastik und feiert das Fest des Kapitalismus.
Wir sehen uns spätestens 2020 wieder. Haut rein!

Eure Mama

Psychologische Feldforschung

Gerade auf YouTube gesehen wie Lars Eidinger eine Art psychologisches Experiment mit seinen Gästen durchzieht. Das machen wir jetzt auch mal.
Wichtig: Es funktioniert nur ein Mal, also nicht den kompletten Beitrag lesen, sonst kannst du nicht mitmachen. Das hast du dann von deiner Neugierde!
Bereit? Dann los!

1. Stell dir vor, du stehst vor einem Dschungel. Wie sieht er aus? Lass ein Bild davon in deinem Kopf entstehen. Gehst du rein oder bleibst du lieber außerhalb? Was tust du?

2. Du verlässt den Dschungel und stehst vor einer Wasserstelle. Wie sieht sie aus? Mach dir ein Bild. Wie verhältst du dich, was tust du?

3. Du verlässt die Wasserstelle und stehst vor einer Mauer. Wie sieht sie aus? Beschreibe sie. Was tust du? Überquerst du sie?
Das waren die drei Fragen, die zu diesem Spiel gehören.
Ich habe die drei Fragen folgendermaßen beantwortet:

1. Der Dschungel ist grün und dicht bewachsen. Er bringt etwas Unheilvolles mit. Der Weg ist kaum erkennbar, überwuchert und ich laufe Gefahr, die Orientierung zu verlieren und mich zu verlaufen. Ich fühle mich hilflos, aber ich finde es auch faszinierend hier zu sein.

2. Die Wasserstelle ist ein reißender Fluss voller Stromschnellen und ich stürze mich voll rein. Ich fühle mich abenteuerlustig.

3. Die Mauer ist riesig, die Steine sind alt, moosbewachsen und uneben, aber wahnsinnig stabil. Es ist zu hoch, um darüber zu klettern oder um erahnen zu können, was dahinter liegt. Ich bin neugierig und gehe an der Mauer entlang. Aber einen Eingang finde ich nicht.

Die Auflösung:

Der Dschungel steht in diesem Spiel als Symbol für das Leben. Je nachdem, wie du ihn beschrieben hast, steht er für das Verhältnis, dass du zu deinem Leben hast.
Die Wasserstelle steht für Sex und die Mauer für den Tod.

Ich finde das Spiel ganz spannend und ich würde schon sagen, dass ich mich darin wiederfinde. Und bei euch so?

Natürlich ist das Ganze nur ein Spiel und vermutlich ist es tagesformabhängig, ob man jetzt gerade an einen reißenden Fluss oder an einen klaren Bergsee denkt. Trotzdem ein spannender Anlass, um sich selbst auf die Spur zu kommen.

Abgefucked

Da frage ich mich schon seit Tagen, wo die Gesellschaft eigentlich falsch abgebogen ist, wie zur Hölle wir in dieses unsoziale, kapitalistische System reingeschliddert sind, das lauter Egoismen produziert und was die bessere Alternative sein müsste und plötzlich flattert vom Sozialamt ein dreiseitiges Formular zur Offenlegung meiner Einkommensverhältnisse rein, weil ich mein schwerbehindertes Kind gerne montags und (gelegentlich auch) freitags nach der Schule (die geht montags bis 13 Uhr und freitags zur Zeit bis 11:30) vom Familiendienst betreuen lassen möchte.
Ich weiß, dass mein Einkommen so gering ist, dass es keine Probleme geben wird.
Aber: Was soll diese Schikane?

Wieso bekomme ich für mein gesundes Kind ohne Probleme eine Nachmittagsbetreuung an 5 Tagen die Woche bis 16 Uhr für 80 Euro, während mein schwerbehindertes Kind auf den Familiendienst angewiesen ist, der 28 Euro die Stunde nimmt?
Gut, die 80 Euro zahlen wir als Eltern selbst, die 28 Euro werden von der Verhinderungspflege (1.600 Euro im Jahr) und den erweiterten Pflegeleistungen genommen plus 125 Euro monatlich für Entlastungsleistungen. Da der Familiendienst immer komplett 4 Stunden abrechnet (weil die ihr Personal auch irgendwie planen müssen), gehen also an einem durchschnittlichen Montag 112 Euro für die Betreuung drauf, die 1600 Euro reichen also für 14 Betreuungsnachmittage, die erweiterten Pflegeleistungen für einen Nachmittag pro Monat, alles darüber hinaus muss beim Sozialamt beantragt werden.

Also muss ich das Wochenende damit zubringen Kontoauszüge auszudrucken, Formulare auszufüllen, mir einen Überblick über meine Ersparnisse bei der Riesterrente zu verschaffen und die Akten von der Umschreibung des Hauses an meinen Exmann zu besorgen, denn auch die will das Sozialamt sehen.
Wie viel Geld liegt auf Ihrem Konto, wie hoch sind Ihre Mietausgaben, Fahrtkosten, Beiträge für Versicherungen, haben Sie Wertpapiere oder sonstiges Vermögen? Bitte Belege beifügen!

Erzählt mir nicht, dass das sozial sein soll, wenn ich jetzt am Wochenende diesen bürokratischen Apparat bediene.

Die Vermögensgrenze liegt bei 30.000 Euro im Jahr, wer darüber hinaus verdient, soll doch bitte die Kosten der Betreuung für sein schwerbehindertes Kind selbst übernehmen. Schließlich handelt es sich bei schwerstbehinderten Kindern ja um ein Luxusgut (oder warum sind sie so selten?) und bevor man sich eins anschafft, sollte man sich schon gut überlegen, ob man sich das auch leisten kann.
Oder so.
Immerhin soll die Freigrenze wohl ab 2020 auf 50.000 Euro angehoben werden, trotzdem geht es mir auf den Sack, dass bei gesunden Kindern keine Einkommensverhältnisse geprüft und alle Menschen solidarisch von günstiger Betreuung profitierten, während ich und mein Exmann bei unserem Großen jeden Fliegenschiss nachweisen müssen.
Nächstes Fass: Nach 7 langen Jahren geht 2020 endlich wieder die beste Band der Welt (die Ärzte) auf Tour. Gestern startete der Vorverkauf um Punkt 17 Uhr. Ratet mal, wie schnell die Tickets weg waren?!
Tja, Sekunden nach dem Start waren die meisten weg.
Und tauchten kurz darauf auf Schwarzmarktportalen wie Viagogo und Ebay wieder auf – für den vierfachen Preis.

Immerhin gibt es Ebay die Möglichkeit, Verkäufe zu melden, was ein Teil der Community auch getan hat und noch immer tut. Aber gegen Plattformen wie Viagogo ist man eben machtlos.

Und so wird die Ärzte Tour 2020 wohl zu einem dekadenten Spaß für reiche Säcke, die bei Zigarren und einem Schluck Chardonnay darüber sinnieren können, wie der Punk Deutschland in den 80er Jahren beeinflusst hat.
Da muss ich jetzt echt nicht dabei sein.

Gesunde und nachhaltige Ernährung

Da ich öfter mal kränkele und in letzter Zeit einiges mit dem Tenor „wir essen uns krank“ gelesen habe, sah ich es an der Zeit, meine eigene Ernährungsweise zu hinterfragen. (Und natürlich hatte ich dabei auch Nickels Blockparade zum Thema Nachhaltigkeit im Alltag im Sinn. Und was ist alltäglicher als die Nahrung, die wir zu uns nehmen?!)
Bei meiner Recherche ging es darum, Lebensmittel zu finden, die wichtig sind für eine gesunde Ernährung, aber auch möglichst nachhaltig hergestellt bzw. angebaut und transportiert werden.
Und ich muss sagen: Es ist gar nicht so einfach, das alles unter einen Hut zu bekommen!

Fleisch

Zuerst habe ich festgestellt, dass mein genereller Fleischkonsum rund ein Drittel unter dem liegt, was der durchschnittliche Deutsche so konsumiert. Das ist ja schon mal nicht schlecht 🙂
Allerdings liege ich mit meinen rund 600g pro Woche im typisch weiblichen Durchschnitt, Männer verzehren im Schnitt doppelt so viel Fleisch. (Männer, hört auf damit! Passt euch der Frau an! Wenigstens dieses eine Mal!)

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Fleischkonsumenten einen Verzehr von maximal 300-600g pro Woche, womit ich an der oberen Grenze liege.
Wer kein Fleisch isst, sollte auf seinen Vitamin B12 achten, steht dort weiter.
Außerdem lerne ich, dass rotes Fleisch das Risiko auf Darmkrebs erhöht, dies sei bei weißem Fleisch bislang nicht nachweisbar. Allerdings habe ich einen leichten Eisenmangel, der sich leichter durch rotes Fleisch beheben lässt. Im Endeffekt esse ich aber beide Sorten gern und werde mich weiterhin abwechseln.

Nachhaltig betrachtet ist ein Verzicht von Fleisch natürlich die beste Lösung.
Neben der konventionellen Massentierhaltung gibt es aber auch Anbieter von Bio-Fleisch-Produkten. Sie stehen dafür, dass die Tiere mehr Auslauf bekommen, nicht mit genmanipulierter Nahrung gefüttert werden, mehr Platz in ihrem Stall haben und nicht präventiv mit Antibiotika und anderen Medikamente zugeballert werden. Achten sollte man mindestens auf das EU-Bio-Siegel, besser noch sind die Siegel von Vertragsverbänden wie Naturland, Demeter und und Bioland, da die in der Regel strengere Tierhaltungskriterien haben.

Zudem gibt es auch regionale Bauernhöfe, die in ihrem Hofladen, auf Wochenmärkten oder in aufgestellten Fleischautomaten ihre Waren feilbieten.
Bei mir in der Nähe gibt es ein paar kleinere Bauernhöfe, die tagsüber zugänglich, sodass man sich selbst von den Bedingungen vor Ort überzeugen kann.
Da die Zertifizierung solcher Höfe oft sehr zeit- und kostenintensiv ist, haben diese Höfe kein Biosiegel, können aber oft mit den Standards mithalten.

 

Die  Planetary Health Diet

37 Forscher aus 11 Ländern haben sich zusammengetan und anhand von Forschungsergebnissen einen Speiseplan entwickelt, der gesund und zeitgleich nachhaltig sein soll. Dabei ist anzumerken, dass die berechneten Werte einem durchschnittlichen Kalorienbedarf von 2500 kcal zugrunde liegen, was je nach Tätigkeit, Größe und Gewicht zu viel oder zu wenig sein kann.
Ich habe im Internet meinen Kalorienbedarf grob ermittelt und komme tatsächlich auf etwa 2500 kcal.

Natürlich gibt es auch Kritikpunkte gegen diese Art von Speiseplan, da er regionale Anbaumöglichkeiten nicht inkludiert. So lassen sich manche Lebensmittel nicht ohne aufwendige Exporte beschaffen und in Teilen der Erde würde dieser Plan einen enormen Ernährungswandel mit sich bringen, der schon relativ utopisch scheint.

Mehr Informationen zur Planetary Health Diet:
https://www.bzfe.de/inhalt/planetary-health-diet-33656.html

Befolgt man aber den errechneten Speiseplan, so kommt man im Schnitt auf 300g Fleisch pro Woche, die man essen darf.
Da ich mittlerweile gerne mal Fleisch durch Gemüse oder Sojaprodukte austausche, möchte ich die 300g nun für mich als Ziel festlegen und halte das durchaus für realistisch.
Ich kann konsequenter darüber nachdenken, in welchen Gerichten ich wirklich Fleisch brauche, ob ich das Fleisch nicht durch Gemüse oder andere Lebensmittel ersetzen kann und wenn ich doch Fleisch nehme, wie z.B. bei einer Bolognesesauce – dann benutze ich eben nur halb so viel Gehacktes.
Und: Wer weniger Fleisch kauft, kann sein Geld auch leichter für Bioqualität ausgeben.

Hülsenfrüchte

Bleiben wir bei der Planetary Health Diet (wem das zu unseriös ist, der findet bei den 10 Regeln der DGE ähnliche Angaben).
Wie ich schon des Öfteren gelesen habe, wird auch hier ersichtlich, dass Hülsenfrüchte eine nicht unerhebliche Rolle bei gesunder und nachhaltiger Ernährung spielen. Sie sind geradezu ideal: Eiweißreich, dabei kalorienarm und regional.
Ich muss zugeben, dass ich Hülsenfrüchte in meinem Speiseplan bisher sträflich vernachlässigt habe. Jetzt habe ich mir vorgenommen, öfter mal eine Bohnen- oder Linsensuppe zu kochen oder einen Eintopf zu machen. Allerdings habe ich auch festgestellt, dass ich als Allergikerin grüne Bohnen nicht so gut vertrage, zumindest nicht, wenn ich diese als Hauptzutat in einem Eintopf gare. Ich werde in Zukunft versuchen, ob ich stattdessen nur eine handvoll Bohnen in mein Essen gebe, vielleicht lasse ich sie aber auch ganz weg und koche stattdessen mit Linsen oder Erbsen.
Der Anbau von Hülsenfrüchten spielt in Deutschland keine große Rolle, weshalb man sie eher auf Wochenmärkten und Bioläden findet, getrocknete Linsen und Bohnen aus dem Supermarkt sind fast ausschließlich importiert.

Nüsse

Auch Nüsse gehören mit rund 350g pro Woche (also noch über dem Fleischanteil!) unbedingt auf den Speiseplan.
Aber: Obwohl Mandel-, Walnuss- und Haselnussbäume zum Teil hier auch gedeihen können (insbesondere in milden Weinanbaugebieten), gibt es quasi keinen Markt dafür. Nüsse sind in Deutschland ein Importgut, d.h. es müssen leider größere Strecken zurückgelegt werden, damit wir unsere Nüsse zu uns nehmen können. Trotzdem gibt es auch da faire, biologische Anbaugebiete.

Milch und Milchprodukte

Milchprodukte dagegen, die mit 250g pro Tag im Speiseplan der Planetary Health Diet vorgeschlagen werden, lassen sich problemlos regional einkaufen. In meinem Ort habe ich nun im Eingang eines örtlichen Supermarktes eine Milchtankstelle für mich entdeckt. Hier landet die frische Milch eines kleinen, regionalen Bauernhofes. Die Milch ist nicht älter als 24 Stunden und wird bereits pasteurisiert angeliefert, d.h. sie wurde kurzzeitig auf über 72 Grad erhitzt, um schädliche Keime abzutöten. Die langlebige Milch aus dem Supermarkt wird hingegen ultrahocherhitzt.
Trotzdem hält sich die frische Milch immerhin noch eine ganze Woche.
Abgefüllt wird in wiederverwendbaren Glasflaschen. Und sie schmeckt richtig gut 🙂

Ich habe mir jetzt noch eine Fetttrennkanne bestellt, damit ich den Rahm besser abfangen und als Sahne verwenden kann. Außerdem habe ich mir einen stromlosen Joghurt-Maker besorgt, mit dem ich leckeren Joghurt aus der Milch machen kann.

In Hessen gibt es mittlerweile eine nicht unerhebliche Summe kleinerer Milchtankstellen.

Natürlich gibt es auf dem Markt auch unzählige Milchersatzprodukte.
Bedenkt man das Thema Nachhaltigkeit, ist man schnell ernüchtert. Laut Ökotest ist die nachhaltigste Alternative die Hafermilch. Die lässt sich immerhin auch leicht selbst herstellen und mit etwas Rapsöl soll sie sogar aufschäumbar sein. Sagen kann ich dazu aber noch nichts.
Allerdings habe ich letztens ein Porridge aus Hafer gemacht – und empfand es als relativ bitter. Trotzdem würde ich mit dem Rest der Flocken mal eine Hafermilch selbst herstellen wollen.

Fette und Öle

Weiterhin ist auch die Menge an ungesättigten Fettsäuren, wie in Oliven- oder Rapsöl, nicht unerheblich: 40g pro Tag werden bei der Planetary Health Diet im Schnitt empfohlen – mehr als Süßungsmittel, von denen wir nicht mehr als maximal 31g zu uns nehmen sollten.

Dass die Menge an ungesättigten Fettsäuren wichtig ist, zeigt sich auch an Studien wie der, zur Lebenserwartung in Deutschland. Es zeigt sich, dass Deutschland europaweit Schlusslicht im Bezug auf die durchschnittliche Lebenserwartung ist, was u. a. auf falsche Ernährungsgewohnheiten hinzuweisen sei. Zielführender sei eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten und fettem Fisch.

Tatsächlich empfiehlt auch die Planetary Earth Diet einen Fischverzehr von etwa 200g pro Woche. Dabei sollte man unbedingt darauf acht geben, Fisch mit MSC-Siegel zu kaufen. Auch das ASC, Naturland- oder Bioland-Siegel kann eine Orientierung geben.
Leider ist das Thema Fisch wegen der Überfischung der Weltmeere ein schwieriges Thema, weshalb es umso wichtiger ist, sich an solche Siegel zu halten.

Einkaufsratgeber WWF zum Thema Fisch und Meeresfrüchte

 

Obst und Gemüse

Rund 300g Gemüse und 200g Obst sollten wir täglich zu uns nehmen.
Um das Klima zu schonen, sollte möglichst regional und saisonal gekauft werden, es lohnt sich also, einen Saisonkalender für Obst und Gemüse zur Hand zu haben. Den findet man aber ohne weiteres bei Tante Google. Abwechlungsreich sollte das Gemüse sein, rotes Gemüse bietet z.B. andere Nährwerte als grünes.
Außerdem ist Obst nicht gleich Obst: Bananen, Kirschen oder Ananas sollte man durch den hohen Fruktosegehalt etwa mit vorsichtig genießen, wie etwa Matthias Riedl in einem Focus-Interview angibt. Gleiches gälte für Kartoffeln, Nudeln und Reis. Zudem essen wir zu oft zwischendurch, anstatt uns einfach drei Mal am Tag satt zu essen. Das begünstige unter anderem die Entwicklung von Diabetes.

Vollkorngetreide

Ein wichtiger Punkt bei dem Planetary Helath Diet ist das Vollkorngetreide, von dem wir im Schnitt 232g am Tag zu uns nehmen sollen. Vollkorn heißt, die gesamten Bestandteile des Korns müssen noch da sein, nur nicht essbare Teile wie Hülsen und Spelzen werden entfernt.
Vollkorn enthält mehr Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe als fein gemahlenes Korn, beugt Diabetes vor und reguliert die Darmflora, allerdings sind auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten möglich.
Feingemahlenes Mehl enthält mehr Stärke, dafür weniger Nährstoffe.

In Deutschland werden vor allem Weizen und Gerste angebaut, es folgen Roggen, Mais und Hafer.
Reis und echte Hirse werden nicht in Deutschland angebaut.
In diesem Wikipedia-Artikel gibt es auch eine schöne Tabelle, in der die einzelnen Nährstoffe aufgelistet sind.

Die Zuckerfalle

31g sind laut Planetary Health Diet die maximal empfohlene Menge an Süßungsmitteln, die wir zu uns nehmen sollten. Dabei ist es vollkommen wurscht, ob der Zucker jetzt aus ganz normalem Haushaltszucker, Rohrzucker, industriell hergestelltem Fruchtzucker, Honig, Agavendicksaft oder sonstwoher kommt.
Daher sollte man skeptisch sein, wenn bei Rezepten einfach Zucker durch Sirup o. ä. ausgetauscht wird und das Rezept dann als „gesund“ verkauft wird.
Tatsächlich ist Zucker sehr oft in industriell hergestellten Waren zu finden.

 

Fertigprodukte

Bei Fertigprodukten wird nicht nur oft unnötiger Zucker hinzugefügt, sie enthalten auch chemische Wirkstoffe, die die Lebensmittel länger haltbar machen. Um einen besseren Überblick über die Stoffe zu behalten, die ich so zu mir nehme, möchte ich zum Beispiel öfter Brot und Brötchen selber machen. Letzte Woche habe ich mich an einem No-Knead-Bread (Brot ohne Kneten) gemacht, dass bei mir ebenso wie bei meinem Kleinen sehr gut ankam. No-Knead-Brote werden lediglich mit einem Holzlöffel verrührt und müssen dann über Nacht gären (ca. 17 Stunden stand in meinem Rezept). Dann nochmal für eine Stunde in der Backform, bevor sie für 50 Minuten im Ofen gebacken werden. Ein – für mich – recht überschaubarer Aufwand.

Die Lebensmittelpyramide

Ich habe damals in der Schule noch gelernt, dass das Fundament der Lebensmittelpyramide aus Getreide und Getreideprodukten (Nudeln, Reis) sowie aus Kartoffeln besteht.
Erst danach kamen Obst und Gemüse.
Heute sieht das anders aus – beide Sparten haben die Plätze getauscht.
Für mich ist das schon eine große Umstellung und ich muss mich noch daran gewöhnen, deutlich mehr Gemüse einzukaufen. Seit über einem Jahr bin ich aber auf einen guten Weg, breche aus meinen festgefahrenen Essgewohnheiten aus und kaufe wieder mehr Gemüse.
Ich glaube, man braucht schon Lust auf was Neues, einen Hang zum Experimentieren, um sich auf neue Rezepte und eine neue Lebensweise einzustellen.
Ich verfüge zum Glück über beides 🙂

Tatsächlich sind Zeit und Geld aber auch limitierende Faktoren, wenn es um das Thema gesunde Ernährung geht.
Momentan habe ich die Zeit, mir Gedanken über eine gesunde Ernährung zu machen, nach neuen Rezepten zu schauen und Dinge selbst herzustellen, die ich sonst gekauft hätte. Wer aber 40 Stunden die Woche arbeitet, plus Fahrtzeit, Haushalt, Kochen und vielleicht noch Familie – der wird sich nicht so leicht tun.
Und auch 7kg Obst und Gemüse vom Biomarkt kosten ihr Geld (bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt), nicht zu reden von Fleisch, Fisch und anderen biologisch angebauten Lebensmitteln.

Getränke

1,5 Liter sollte jeder Erwachsene mindestens zu sich nehmen, am besten natürlich in Form von zuckerfreien Getränken. Bei mir ist das ganz einfach, ich trinke hauptsächlich Wasser und Tee, morgens meist noch 1- 2 Tassen Kaffee.
Da ich das Kistenschleppen leid war, habe ich mir einen Trinkwassersprudler besorgt. Manchmal bin ich aber auch faul, tue es meinem Sohn gleiche und trinke einfach nur Leitungswasser 🙂

Allerdings muss ich zugeben, dass ich einen Wasserfilter benutze, der monatlich gewechselt werden muss. Dieser enthält mehr Plastik, als mir lieb ist. Allerdings ist das Wasser hier sehr kalkhaltig, ein Umstand, an dem schon meine letzte Kaffeemaschine verstarb. Alternativ müsste ich sehr oft entkalken, was dann wieder den vermehrten Einkauf von Entkalkungsprodukten zur Folge hätte – für mich gehupft wie gesprungen.
Bis zum Sommer bin ich noch mit Wasserfiltern versorgt, ob ich dann nochmal neue anschaffe, werde ich mir bis dahin gut überlegen.

Persönliche Ziele

Zu den obersten Zielen gehört das Selbermachen von Produkten, die ich sonst industriell gefertigt kaufen würde. Allen voran Joghurt, Brot und Brötchen. Aber auch an anderen Milchprodukten wie Quark und Butter will ich mich versuchen und ich möchte meine Brotaufstriche selbst zubereiten.

Trotzdem steht für mich außer Frage, dass ich ab und an auch mal Junkfood kaufen werde, wenn auch nur in Ausnahmefällen.

Außerdem möchte ich meinen Fleischkonsum weiter reduzieren und dafür bei meinem Metzger des Vertrauens einkaufen.
Ich will mehr Hülsenfrüchte und Nüsse zu mir nehmen und nachhaltig gefangene Fische essen.
Und ich will möglichste viele dieser Lebensmittel regional einkaufen, zum Beispiel auf dem Wochenmarkt oder im Bioladen.

„Bring mir einen Beweis, dass du ein Mensch bist“ – Review zu „Capernaum“

Ein Pass, eine Geburtsurkunde, irgendetwas, das ihn als „ein Mensch“ ausweist, genau das soll der 12 jährige Zain besorgen damit der Händler ihn fort von hier bringen kann, in ein Land, in dem es noch Hoffnung gibt. Als Gegenleistung braucht es nicht weniger als Zains einjährigen Schützling, denn in den Slums von Beirut, Libanon, bestimmt der Markt über den Wert eines Menschenlebens.

Aber von Anfang an: Der Film „Capernaum“ beginnt mit der Rahmenhandlung, die Zain im Gericht zeigt. Er selbst sitzt wegen einer Messerstecherei ein, klagt nun aber seine Eltern an. Der Grund: Sie haben ihn auf die Welt gebracht. Und dann beginnt Zain seine Geschichte zu erzählen.

Ich möchte nicht zu viel verraten, aber es geht um bittere Armut in einer Welt, in der man schon froh sein kann, etwas Wasser, ein wenig Nahrung und ein Dach über dem Kopf zu besitzen. Es geht um Eltern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern (können), um Kinder, die arbeiten müssen, anstatt in die Schule zu gehen, um Überbevölkerung, Gewalt und Ungerechtigkeit.

„Capernaum“ ist ein unangenehmer Film, dem man sich nicht entziehen kann, auch wenn man immer wieder hofft, er möge bald vorbei sein. Doch zumindest das Ende versöhnt ein wenig, auch wenn man sich bewusst machen sollte, dass die Realität vermutlich anders aussähe.

Der Hintergrund

Dass die Geschichte fiktiv ist, tritt kaum ins Gewicht.
Über ein halbes Jahr drehte die libanesische Regisseurin Nadine Labaki in den Beiruter Ghettos. Um authentisch zu bleiben, wurden für den Dreh keine Straßen gesperrt, Originalschauplätze verwendet und die Rollen wurden mit Laiendarfstellern aus den Elendsvierteln besetzt. Allen voran Zain Al Raffeea, der als syrischer Flüchtling im Alter von 8 Jahren mit seiner Familie in den Libanon floh. Gerade diese Authentizität macht es wohl aus, dass er seine Rolle so gut spielt. Labaki habe ihm dabei viel Spielraum zum Improvisieren gegeben und gerade das Verhältnis zu seinem Schützling musste sich ganz natürlich ergeben, wie sie in einem Interview anmerkte.
Yordanos Shiferaw, die ebenfalls eine Hauptrolle spielt, wurde sogar während der Dreharbeiten sogar tatsächlich wegen fehlender Papiere inhaftiert und musste für zwei Wochen einsitzen, wie sie unter Tränen Pressekonferenz von Canal+. Eine traumatische Erfahrung.

Seit 2018 lebt Zain Al Raffea mit seiner Familie in Norwegen, sie alle gingen nun zur Schule, wie es in einem anderen Interview hieß. Für Zain sicherlich ein Kulturschock, zumal er von den Slums in Beirut direkt auf die roten Teppiche der Welt gebracht wurde.
Interessant zu sehen, wie wenig der Hype um seine Person ihn interessiert. Tatsächlich wirkt er bei vielen Interviews eher gelangweilt. Verständlich, müssen doch die Fragen meist erst mühsam hin und her übersetzt werden und welcher 14 jährige träumt schon davon, immer wieder von Erwachsenen mit den gleichen Fragen gestellt zu bekommen?
Auch wenn sich bei mir als Zuschauer die Erwartung eingeschlichen hat, er hätte uns eine höhere Botschaft, eine Moral mitzuteilen, so stellt sich heraus, dass Zain nur ein ganz normaler Junge ist.
Die eigentliche Botschafterin ist Labaki – denn sie kennt beide Welten.

So erzählt sie auch von den Gesprächen mit anderen Straßenkindern, deren Eindrücke sie einsammeln wollte. Am Ende fragte sie stets, wie glücklich die Kinder seien.
Kaum eins wollte ich so bezeichnen, laut Labaki antworteten über 90% sie seien unglücklich, fragten sich, warum sie überhaupt auf der Welt seien oder wünschten sich zu sterben.
Ein Grund mehr für diesen Film.
Dabei ging es laut Labaki nicht darum, die Schuld (ausschließlich) bei den Eltern zu suchen, Schuld seien alle, alle, die Tag für Tag wegsehen und nichts tun gegen die Ungerechtigkeit in den Elendsvierteln der Welt.

Capernaum ist momentan in der Amazon Prime-Mitgliedschaft enthalten oder auf DVD/Blu-ray erhältlich.