Von Kindern auf Friedhöfen

Als eine meiner Freundinnen heiratete, betrat ich den Friedhof erneut. Ich versuchte eine Art Verbindung herzustellen. Komischer Weise hatte ich das Gefühl, nur die Anwesenheit meines Opas zu spüren. Er freute sich über meinen Besuch, so wie zu Lebzeiten. Aber an Oma kam ich nicht heran. Trotzdem spürte ich eine Art Wehmut, als ich den Friedhof verließ.

Das nächste Mal besuchte ich den Friedhof während der Sommerferien.
Ich wollte meinem Sohn den Friedhof zeigen und auch selbst Kontakt aufnehmen. Meine Tante und meine Mutter waren ebenfalls mit von der Partie.
Obwohl ich versucht hatte meinem Kleinen den Ablauf einer Beerdigung und die Funktionsweise eines Friedhofs näher zu erläutern, war er doch recht enttäuscht, als er weder Geister, noch Zombies noch irgendwelche anderen Figuren aus der Unterwelt darauf entdecken konnte.
Da er auch keinen Sinn darin sah, mit toten Menschen zu kommunizieren, die man weder sehen noch hören kann, beschloss er über möglichst viele Grabstellen zu laufen mit den begeisterten Worten „Ich gehe auf toten Menschen!“
Unterdessen versuchte ich erneut „hineinzuspüren“ ob ich meine Oma vielleicht irgendwo fühlen konnte. Doch es gelang mir nicht. Wieder hatte ich mehr das Gefühl, meinen Opa spüren zu können, der sich freute und mir versicherte, dass es ihm gut ginge.
Wir widerstanden dem Wunsch meines Juniors, doch bis Mitternacht dort zu bleiben, falls sich etwas täte, und fuhren weiter ins Eiscafé. (Kam auch gut an.)
Dort überreichte meine Tante mir zwei Briefe, die ich meinen Großeltern als Kind geschrieben hatte, als ich im Urlaub war.
Ich betrachtete die geschriebenen Zeilen und die gemalten Bilder am Rand.
Und nie hatte ich mehr dieses Gefühl, dass alles nur geliehen ist, dass niemals irgendjemanden wirklich etwas gehört. Dass wir alle auf pump leben und nichts mitnehmen können.

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